Dem Krabbelalter entwachsen
Leidersbacher Projekt „Und los“ feiert mit buntem Mitmach-Fest ersten Geburtstag
„Schritte wagen“ lautete das Motto des Gottesdienstes mit dem das Leidersbacher Elternchancenprojekt „Und los“ die Feier anlässlich seines ersten Geburtstages eröffnete. Pfarrer Martin Wissel ging auf dieses Motto in seiner Predigt ein: „Nach einem Jahr sind die meisten Kinder dem Krabbelalter entwachsen und es wird Zeit die ersten Schritte zu wagen. Dies gilt auch für dieses tolle Projekt.“ Dieser Vergleich passt gut, denn auch „Und los“ hat nun sein „Babyjahr“ hinter sich gelassen und die Verantwortlichen blicken um einige Erfahrungen reicher zuversichtlich in die Zukunft. Und lädt anlässlich des Geburtstages in die Leidersbacher „Grüne Lunge“ ein um gemeinsam zu feiern - dort wo alles begonnen hat.
Denn vor ziemlich genau einem Jahr, am 1. Oktober 2022 fiel der Startschuss, den Projektkoordinatorin Rebecca Lang und ihre Mitstreiterinnen Angelika Zobel, Caroline Lenk und Kerstin Franz ebenfalls mit einem Fest an der Mehrzweckhalle begingen.
Seitdem haben die vier Frauen über 60 Familien mit insgesamt 94 Kindern betreut. „Dabei waren vergleichsweise „leichte“ Fälle, die nur wenige Termine mit uns gebraucht haben, bevor es bei ihnen wieder besser lief“, berichtet Rebecca Lang. „Aber natürlich gibt es auch Familien, die sehr viel mehr Unterstützung brauchen.“ Ein Blick auf die am Rande der Feier aufgestellten Schautafeln zeigt, dass mehr als die Hälfte der betreuten Familien maximal 5 Termine braucht um ihr Anliegen zu klären. Es ist meistens gar nicht so viel nötig, wenn die Familien erst einmal den Schritt gewagt haben und sich Unterstützung holen. Außerdem veranschaulichen die Tafeln, wo der Beratungsbedarf lag. Belastungen durch Problemlagen der Eltern wird als häufigster Grund genannt, neben Erziehungsfragen, familiäre Konflikte, Kindeswohlgefährdung und Auffälligkeiten in der Entwicklung oder im Sozialverhalten eines Kindes. Problemlagen der Eltern sind psychische Erkrankungen, häusliche Gewalt, Suchtproblematik oder – am häufigsten genannt – Überforderung mit dem Alltag.
„Doch diese Einzelberatungen sind nur ein Teil unserer Arbeit“, sagt Rebecca Lang. „Nicht eingerechnet haben wir beispielsweise die Elterngruppen“ Das Angebot ist riesig und deckt eine breite Palette von Schwangerschaft über Baby- und Kleinkindzeit bis zur Schule ab.
Denn nicht nur die ganz schwierigen Fälle, sondern auch Familien, die sich einfach zu einem bestimmten Thema austauschen wollen, sind bei den Elternbegleiterinnen von „Und los“ herzlich willkommen. Kein Wunder, dass auch der Einladung zur ersten Geburtstagsfeier zahlreiche Leidersbacher Familien gefolgt sind und das Angebot zum gemeinsamen Feiern dankbar annahmen.
Wieder wurde ein buntes Programm zusammengestellt, das zur aktiven Teilnahme aufforderte und keine Langeweile aufkommen ließ. Der Fuhrpark – geliehen von allen Leidersbacher Kindergärten begeisterte die kleineren Kinder, während sich die Großen bei zehn Stationen im Funpark und später bei der Spielstraße austobten.
Ein besonderes Highlight war die „Klein gegen Groß“-Challenge, die wegen Regens spontan in die Mehrzweckhalle verlegt worden war. Hannes Appel besiegte hier den Pfarrer im Kloßwettessen, Franzi Adami erkannte mehr Wurstsorten als Metzger Berberich und Laurin Schmitt schrieb im Rechtschreibwettbewerb fehlerfreier als Schulrektor Michael Büttner. Mali und Luna Anderlohr waren in Heimatkunde fitter als der erste und der zweite Bürgermeister (Michael Schüssler und Andreas Hein), Lara Emmerich siegte gegen ihren Vater und Trainer Norbert Emmerich im Tischtenniswettkampf, Fabian Englert forderte Hufschmied Felix Bönig mit Klimmzügen heraus und Paul Reichert schlug seinen Vater Stefan Reichert locker in der Feuerwehrwette. Wie wichtig Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl sind, zeigt sich nicht nur bei dieser Feier, die dank vieler helfender Hände ein großer Erfolg geworden ist, sondern auch beim Projekt „Und los“ selbst. Emotional wird es, als Rebecca Lang und Angelika Zobel alle Menschen auf die Bühne rufen, die bei Aufrufen aller Art mitgeholfen haben. Egal ob der Umzug einer alleinerziehenden Mutter, Kleiderspenden, Einkaufsfahrten oder der Aufbau einer Küche: „Ohne euch hätten wir das alles nicht geschafft“, bedankt sich Rebecca Lang unter großem Applaus bei den Helferinnen und Helfern.
Als das Fest sich am Nachmittag seinem Ende zuneigte, wagt auch die „Elternchancen“-Koordinatorin einen Ausblick: „Und los“ ist aktuell auf sechs Jahre ausgelegt, danach müssen wir weitersehen.“ Denn ob das vom Europäischen Sozialfond, dem Bundesministerium für Familien und der Gemeinde Leidersbach kofinanzierte Projekt verlängert wird, ist noch unklar. Doch Rebecca Lang und ihre Mitstreiterinnen kämpfen für eine wie auch immer gelagerte Weiterführung: „Der Bedarf ist eindeutig da, das wird auch von der Politik gesehen. Wir sind ein Ansprechpartner vor Ort, bei dem man sich niedrigschwellig und vor allem frühzeitig Hilfe holen kann, sodass die ganz großen Probleme erst gar nicht entstehen. Was erwiesenermaßen eine Menge Folgekosten bei den Jugendämtern und anderen Stellen einsparen kann. Dieses Konzept finden auch andere Gemeinden gut. Wir sind derzeit mit den politischen Entscheidern im Gespräch und hoffen, unsere Elternbegleitung langfristig etablieren zu können. Wie sehr unser Angebot benötigt wird, haben wir im letzten Jahr erfahren können.“
Jessica Albert